Wie Jorge Bucay schreibt "Die Menschheit leidet und macht sich das Leben schwer, weil sie sich die Hälfte des Tages schuldig fühlt, so zu sein, wie sie ist. Die übrigen zwölf Stunden macht sie anderen das Leben schwer, in dem sie ihnen vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen haben.".
Ich habe mich darauf gefragt, was denn Schuldgefühle sind, in dem Zusammenhang, wie Jorge Bucay sie beschreibt.
Für mich ist es das Gefühl, etwas zu tun oder zu unterlassen, was ich eigentlich nicht möchte. Wenn ich es nicht tue, vergrössert sich eventuell mein schlechtes Gewissen. Wenn ich es tue, mache ich es nicht aus einer ehrlichen Intention heraus. Oder umgekehrt. Mit ehrlich meine ich in erster Stelle ehrlich zu mir selbst. Denn bin ich nicht ehrlich zu mir selbst, bin ich auch nicht ehrlich zu anderen.
Es geht also darum, dass wir unsere Wahrheit sagen, dass wir diese Wahrheit leben, sie verkörpern. Doch ist es gar nicht immer so einfach zu wissen, zu fühlen, was unsere Wahrheit ist. Wir müssen sie Schicht für Schicht aufdecken. In jeder Situation müssen wir neu hineinfühlen, was wir denn nun wirklich wollen. Wir sind so geübt, uns in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten, bestimmte Dinge zu tun, dass wir sie nicht hinterfragen. Nur das Gefühl, das im Bauch nagt, das Herz, das schwer wird, die unangenehmen Gedanken, die im Hinterkopf auftauchen, erinnern uns daran, dass in diesem Moment für uns etwas nicht stimmt. Aber auch diese Stimme haben wir gelernt zu verdrängen, weil wir in dem Moment nicht wissen, wie wir anders damit umgehen sollen.
Weshalb tun wir, was wir tun? Warum haben wir ein schlechtes Gewissen?
Wir verbrauchen viel Energie, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Wenn wir bei der Situation hängen bleiben und weiter hin- und her-entscheiden. Eine klare Entscheidung zu treffen heisst, seine eigene Wahrheit zu leben. Sei dies nun die Entscheidung, z.B. dem anderen zu helfen, weil man es will und kann. Oder eben nicht, weil man gerade keine Kapazität hat, oder man es schlichtweg nicht möchte. Weil das eigene Gefühl "Nein" sagt. Dieses Gefühl in deinem Bauch oder in deinem Herzen, das deine Wahrheit spricht. Dies macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, sondern zu einem Ehrlichen.
Stelle dir nun eine Situation vor, die du gerade erlebst oder sich in deinem Leben wiederholt, die sich für dich nicht stimmig anfühlt und bei dir Schuldgefühle auslöst. Und nun lausche in dich hinein und gib deiner inneren Stimme Raum und Zeit, sich dir mitzuteilen. Was möchtest du wirklich?
Weshalb handelst du in der Art, obwohl du es nicht möchtest? Weshalb hast du ein schlechtes Gewissen? Weil du denkst, dass andere - oder du selbst - schlecht über dich denken könnten? Weil du dann egoistisch wärst, kein "guter" Mensch? Weill "es sich so gehört"? Weil du gelernt hast, die Bedürfnisse anderer voranzustellen? Weil du glaubst, dass andere dies von dir erwarten?
Was würde geschehen, wenn du dies nicht tätest? Wie würde es sich anfühlen, wenn du für dich eine klare Entscheidung aus deinen Wünschen heraus treffen würdest, und du kein schlechtes Gewissen hättest, weil es sich dann einfach richtig anfühlen würde?
Was hält dich davon ab? Die Angst, alleine zu sein? Nicht gesehen und verstanden zu werden? Die Angst, nicht geliebt zu werden?
Du, in deiner Wahrheit, die du in deinem Herzen nährst und mit Liebe und Klarheit in die Welt hinausträgst, bist die liebevollste Version deiner selbst. Und wenn du dir diese Ehrlichkeit und Liebe zuwendest, so zeigst du auch anderen, dass sie dies für sich tun können.
Herzlich,
Céline
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